Ein Mönch, der früher Menschen tötete

Kölner Stadtanzeiger vom Dienstag, dem 31.12.2012

Ein Mönch, der früher Menschen tötete

PORTRÄT Der Krieg in Vietnam hat ClaudeThomas traumatisiert, der Buddhismus hat ihn gerettet – Lesung in Mülheim

claude anshin thomas kstaVON TOBIAS CHRIST
Leverkusen/Köln-Mülheim. Ist das derselbe Mensch? Auf dem Schwarz-Weiß-Foto ist Claude Thomas als 18-Jähriger zu sehen.
Er steht – versteinerte Mine, nackter Oberkörper – neben einem Hubschrauber. In der rechten Hand hält er eine Zigarette, in der linken ein Maschinengewehr. Es ist das Jahr 1966, Claude Thomas kämpft als Soldat im Auftrag der amerikanischen Armee in Vietnam.
Jeden Tag muss er damit rechnen, getötet zu werden oder töten zu müssen. „Am Tor zur Hölle“ wird ClaudeThomas später das Buch nennen, in dem er seinen Lebensweg beschreibt.

An diesem Nachmittag sitzt Claude Thomas in einem Haus in Leverkusen. Er trägt eine schwarze Robe und trinkt Tee. Aufmerksame Augen blicken durch runde Brillengläser. Ab und zu verschränkt er seine Hände hinter dem kahl rasierten Kopf. Vor der Brust baumelt ein lilafarbenes „Rakusu“, ein Stück Stoff, das das buddhistische Gelübde symbolisiert, das er abgelegt hat.

Claude Thomas heißt heute Claude AnShin Thomas. AnShin bedeutet Friedensherz. Aus dem Vietnam- Soldaten ist ein Zen-Buddhist und Bettelmönch geworden. Der junge Mann mit dem Maschinengewehr
ist weit weg an diesem Nachmittag. Der Mensch von einst war emotional abgestorben, abgehärtet vom Drill des Militärs.
Er stand morgens auf, rauchte eine Zigarette, stieg in den Hubschrauber und hatte am Abend meistens´mehrere Menschen getötet. Doch für ihn waren es keine Menschen, es war nur der Feind. So hatte er es beim Militär gelernt. „Ich hatte meine Menschlichkeit verloren“, sagt er.Was er sah und tat, habe ihn zwar berührt: „Aber es war mir nicht bewusst.“

Nach seiner Rückkehr in die USA geriet der einstige Chef einer Hubschrauberstaffel in eine lange Krise. Niemand nahm sich seiner seelischen Kriegsverletzungen an:
„Ich war ein Ausländer mitten in meiner eigenen Gesellschaft.“ Er trank und nahm Drogen.
Es war Anfang der 1990-er Jahre, als er erstmals bei buddhistischen Mönchen verstand, dass der Krieg sein Vermögen zerstört hatte, Beziehungen zu knüpfen. Es war der Anfang von einem neuen Leben.

Das Streben nach einem tieferen Bewusstsein und Achtsamkeit gegenüber sich selbst ist seitdem zur alltäglichen Übung geworden. Heute meditiert Claude AnShin Thomas am frühen Morgen und zieht friedvoll durch die Welt. Ein Bettelmönch ist zum Wandern verpflichtet. Besitz hat er nicht, er ist auf die Wohltaten anderer Menschen angewiesen.
Diesmal ist Claude AnShin Thomas bei der Leverkusener Zen- Buddhistin Marion GenRai Lukas untergekommen.

Am 3. Februar will er in Köln-Mülheim einen Vortrag über „Achtsamkeit im Alltag“ halten. Kurz danach wird er weiter ziehen. 300 Tage im Jahr ist der Zen-Buddhist unterwegs, allein seine Pilgerwanderungen haben ihn 70 000 Kilometer durch die Welt geführt.
„Ich habe mein Leben dem Prinzip der aktiven Gewaltlosigkeit verschrieben“, sagt der 64-jährige Amerikaner, der in einer Kleinstadt in Pennsylvania aufwuchs. Er will es anders machen als etwa seine Eltern, die ihn schlugen und ihn drängten, Soldat zu werden. Nicht zu töten und anderen nicht zu schaden, das ist die erste Richtlinie des Buddhismus. „Ich bin kein Pazifist“, sagt Claude AnShin Thomas. Der Pazifist schiebe die Gewalt von sich weg. Der Zen-Buddhist hingegen führe sich ständig vor Augen, dass auch er von Krieg und Gewalt beeinflusst ist.
Er versucht, ein Leben in Achtsamkeit zu führen, damit seine Entscheidungen nicht von diesen Wurzeln beeinflusst werden. „Ich bin mir bewusst, dass ich jederzeit gewaltvoll handeln kann“, sagt
ClaudeAnShinThomas: „Ich habe mich aber entschieden, es nicht zu tun.“

Claude AnShin Thomas spricht am Freitag, 3. Februar, 19 Uhr, über Zen-Meditation und „Achtsamkeit im Alltag“.
Ort ist die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim an der Düsseldorfer Straße 74.

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