Der Goldene Drache - Gedanken zur Premiere im Kölner Theater Bauturm

Drache-webGedanken zur Premiere im Kölner Theater Bauturm am 14. April 2012

Der Autor des Stückes „Der Goldene Drache“, Roland Schimmelpfennig, hat hier die Zustände und Umstände unserer Welt modellhaft skizziert, in denen unsere Mitmenschen  nur mühevoll überleben oder hilflos sterben. Er tut das, indem er kurze Szenen aus dem Leben einzelner Personen beschreibt. Diese leben alle im gleichen Haus, in dem sich auch das Restaurant „Der Goldene Drache“, der Hauptort der Handlung, befindet.

Hier arbeiten einige Asiaten oder – man sollte besser sagen – hier funktionieren einige Asiaten wie kleine Maschinen in einer viel zu engen Küche, um den Gästen das Gewünschte pünktlich und schnell zu liefern mit der ständigen Angst, es ihnen nicht recht zu machen. Ein junger Auszubildender kommt hinzu, und das Drama nimmt seinen Lauf, denn alle arbeiten in diesem Restaurant illegal. Da ist es eine Katastrophe, dass der junge Auszubildende so höllische Zahnschmerzen hat, dass der übrigen Kochmannschaft keine andere Wahl bleibt, als den Zahn mit einer Rohrzange zu ziehen. Eine ärztliche Behandlung ist ja nicht möglich, da ein Illegaler keine Papiere hat, nicht versichert ist und unentdeckt bleiben muss. So findet der Auszubildende ein schreckliches Ende: er verblutet.

Weitere menschliche Schicksale kommen im Stück hinzu. Der Zuschauer wird mitfühlender Zeuge vielfachen Elends im Haus des Goldenen Drachens.

Parallel dazu wird die Geschichte von der Grille und der Ameise (von Jean de La Fontaine) eingestreut: sie wird wunderbar dargestellt. Sie hat im Sommer getanzt und hat jetzt im Winter nichts zu essen; sie bittet die Ameise um Nahrung, die diese ihr aber nur gewährt, wenn sie etwas dafür tut (putzen, tanzen). Im Stück verwandelt sich die Rolle der Grille in die einer menschlichen Prostituierten. Hat die Grille wirklich Schuld an ihrem Schicksal, wenn sie im Sommer nur tanzt und nicht vorsorgt? Stellt die Grille mit ihrem Gesang vielleicht die Kultur, die Kunst dar, die der Mensch auch zum Überleben braucht? Sollte sie daher im Winter durchgefüttert werden?

Inhaltlich geht es bei dem Stück um die Verletzung der Würde von Menschen und um die vollständige  Ignorierung ihrer Rechte. Es geht darum, wie weit Menschen sich quälen und demütigen  lassen (müssen) – und das von verrohten, unbarmherzigen Mitmenschen oder unmenschlichen Gesetzen, „nur“ um zu überleben.  Welche Rolle spielt dabei die Hoffnung? Wie lange bleiben Träume und Sehnsüchte erhalten? Haben Menschen vielleicht ein natürliches Recht auf Sehnsüchte? Wenn ja: Äußern sie sie auch manchmal ganz natürlich, und wie kommt das bei den Mitmenschen an?

Aus allen diesen Fragen entsteht ein umfassender Bezug zu den Ungerechtigkeiten, den menschlichen Tragödien unserer Tage. Es entsteht auch beim Zuschauen die Frage nach den Ursachen und nach den Möglichkeiten einer Abhilfe; sowie die Frage, wie man mit einem Bewusstsein über das Leiden anderer Menschen auf dieser Welt umgeht, das ja täglich durch neue Nachrichten Futter erhält? Inwieweit raubt die Erkenntnis der Ohnmacht auf Seiten der Opfer Lebenskräfte beim Beobachter? Inwieweit und nach welcher Zeit demotivieren sie? Kann Empathie auch konstruktiv umgesetzt werden?

Schimmelpfennig-web-Manfred-Werner kopieRoland Schimmelpfennig hat die Zustände in unserer globalisierten Welt dargestellt durch 17 verschiedene Rollen, die von 5 Schauspielern reihum gespielt werden. Sie treten in kurzen Sequenzen auf, wechseln immer wieder ihre Kostüme und ihr Verhalten. Diese ins Groteske übersteigerte Handlung entbehrt nicht der Komik. Dadurch wird das Stück, in dem der Zuschauer Zeuge enormen Elendes wird, erträglich. Eineinhalb Stunden hält es seine Spannung nicht zuletzt durch die sogenannte Short-Cut-Technik und die blitzartigen Rollen- und Ebenenwechsel.

Die Kölner Inszenierung durch Rüdiger Pape im Theater Bauturm ist sehr gelungen. Diese Inszenierung und die sehr gute Leistung der 5 Schauspieler und aller anderen Mitwirkenden macht ein großes aktuelles Thema erlebbar. Beim Vergleich mit anderen Inszenierungen in deutschen Theatern dürfte die Kölner Aufführung sehr gut abschneiden: Sie kommt dem Zuschauer sehr nah und findet das richtige Gleichgewicht zwischen unterhaltsamem, teilweise befremdlichem Klamauk und bestürzender Dramatik.

Roland Schimmelpfennig („meistgespielter kontemporärer deutschsprachiger Theaterautor“) hat in den letzten Jahren mehrere Ehrungen erfahren; insbesondere wurde der Goldene Drache mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet. 

Das Stück ist noch ein paar Mal im Theater im Bauturm zu sehen.

Information unter www.theater-im-bauturm.de

von Gudrun Schwichtenberg

Das Titelphoto wurde von Günter Schwichtenberg im Theater Bauturm geschossen. Das Photo von Roland Schimmelpfennig wurde von Manfred Werner geschossen und in Wikipedia veröffentlicht. Das Bild der Schauspiel-Gruppe hat Anja Reiermann als Pressephoto des Theaters veröffentlicht.

Schauspieler-web-Anja-Reiermann

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