„NARZISS“ VON MARTINA KARBE UND DER NEUE POLITIKERTYP

karbeOb Trump, Erdogan, Putin oder Grillo; überall finden in der aktuellen Politik Personen Zuspruch, die ähnliche Verhaltensweisen aufweisen. Als Alleinentscheider versprechen sie schnelle Problemlösungen, ohne sie konkret auszuformulieren. Beanspruchen dafür mehr Machtkompetenzen. Gleichzeitig finden sie schnell einen Schuldigen für etwaige Fehler oder kehren ihre Ideen um 180 Grad, um ihre Machtposition zu sichern. In den rechtpopulistischen Parteien wie PiS in Polen und AfD in Deutschland finden sich in dieser Hinsicht ebenfalls Potentiale.

In diesem Zusammenhang erhält das Objekt „Narziss“ der Kölner Künstlerin Martina Karbe (26.12.1956 - 9.5.2016, s.: https://martinakarbe.wordpress.com ) aus dem Jahr 2009 eine neue Aktualität.

Wie eine Schlange windet sich das Wesen um sich selbst. Die beiden Köpfe an seinem Ende sind auf sich gegenseitig fixiert. Während der eine Kopf sich stolz aufgerichtet präsentiert, wirkt der Widerpart zunächst schlafend. Es steckt in ihm aber die Bereitschaft wie eine Keule aus Neid und Missgunst zuzuschlagen. Ursprünglich war die Schlange in einem braun-grünlichen Farbton gestaltet, die unangenehm changierte. Bei einer Restaurierung änderte Martina Karbe die Farbe. Durch das Gelb (u.a. Symbol des Neides)leuchte die Schlange sonnenähnlich. Die Köpfe sind mit Gold überzogen. Auch dieses Metall steht für höchsten Glanz. Gold und Gelb versprechen ein noch helleres Licht, eine noch schönere Schönheit bis zur Gottesähnlichkeit gesteigert. Es ist jedoch keine angenehme Farbzusammenstellung, sie schmerzt nahezu im Auge. Gold und Gelb entlarven sich in Karbes „Narziss“ als farbliche Dissonanz und bringen so den wahren Charakter dieses Wesens zum Ausdruck. Hinter der Fassade der scheinbaren Großartigkeit lauert die Gefahr der (Selbst-)Zerstörung. Hierin steckt eine Mahnung, genauer hinzuschauen.

Martina Karbes „Narziss“ ist ein hervorragendes Beispiel für die These unseres gemeinsamen Professor Werner Schriefers, dass gute Kunstwerke eine gesellschaftlich-politische Aussage beinhalten, ohne sich explizit auf konkrete Ereignisse zu beziehen.

Foto: Martina Karbe „Narziss“, 2009, Durchmesser 32 cm

Quelle: www.atelier-knorr-küpper.de

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