Sieben jugendliche Flüchtlinge blühen wieder auf - Gelebte Integration durch tragende Netzwerke

Veröffentlicht in Soziales und Leben in Köln

Nuri  SidikiKöln. Wie sehen die Erfahrungen von Flüchtlingen aus, die im jugendlichen Alter ohne Eltern in Deutschland ankommen? Wir berichten über ein Beispiel von sieben unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen, die in Köln ein neues Zuhause gefunden haben. Sie haben eine lange, lebensgefährliche Flucht aus ihrer Heimat hinter sich, die teilweise Jahre gedauert hat.

Professionelle Betreuung rund um die Uhr im geschützten Raum

Betreut wird die Gruppe rund um die Uhr vom Team der JobWerk Porz gGmbH, die sich auf Berufsorientierung und Integration in Arbeit und Sprache spezialisiert hat. Das Team besteht aus Ausbildern, Lehrern und Sozialpädagogen.

Die Geschäftsführerin Inez Wolf berichtet: „Sie sind uns quasi zugelaufen. Ich bekam an einem Freitagnachmittag Ende Oktober letzten Jahres einen Anruf vom Jugendamt in dem es hieß, wir haben hier sieben Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren für Sie, die sie übernehmen müssen. Erst einmal habe ich Matratzen gekauft und dann mussten wir schnellstmöglich eine Unterkunft finden. Zunächst landeten sie in einer kleinen Wohnung, wo sie zu siebt in einem Zimmer schlafen mussten und in dem anderen Zimmer haben sie gelernt und Musik gehört. Zufällig beobachtete ein Kollege von mir eine Umzugsbewegung in einem Haus neben einer Kirche. Ich rief den Pastor an und erfuhr, dass es sich um das ehemalige Pfarrhaus handelt, was gerade frei wurde. Seit Weiberfastnacht sind die Jungs jetzt hier.“

Traumatische Erfahrungen im Gepäck

In der Küche hängt ein Foto von den Jugendlichen aus der Zeit, als sie noch in einer Turnhalle untergebracht waren. Alle sehen sehr ernst in die Kamera. Fünf von ihnen stammen aus Afghanistan, einer aus Ägypten und einer aus Guinea. Sie wurden allein auf den Weg geschickt oder sie haben teilweise ihre Eltern auf der Flucht verloren. Elias* aus Ägypten wurde als 12jähriger auf ein Boot gesetzt. Seine Flucht dauerte zwei Jahre. Sidiki aus Guinea ist Vollwaise und landete zunächst in Spanien. Er verbrachte dort vier Monate und lernte Spanisch. Von dort aus ging es weiter Richtung Deutschland. Sidiki wollte schon immer Automechaniker werden und hat gerade ein Praktikum in einer Werkstatt absolviert. Begeistert erzählt er: „Ich habe gelernt, wie man das Öl wechselt, die Reifen und die Bremsbeläge“. Im August fängt er in der Berufsschule an. Arjun ist 17 Jahre alt. Er hat auf der Flucht aus Afghanistan zwischen dem Iran und der Türkei seine Familie verloren.

Gelebte Integration durch tragende Netzwerke

Fünf aus der Gruppe haben private Paten, die sich um sie kümmern. Dabei werden die Jungs zu Ausflügen mitgenommen und zu privaten Festen in die jeweiligen Familien eingeladen. Laura Martin, eine der Paten, kam über die aktive Flüchtlingshilfe im Kölner Westen und die Drehscheibe am Flughafen Köln-Bonn** mit den jungen Flüchtlingen in Kontakt als sie Kleidung, Hygieneartikel und Schuhe dorthin transportierte. Die Not, die ihr dort begegnete, hat sie sehr berührt und sie entschloss sich spontan, die Patenschaft für den 16jährigen Bouba zu übernehmen. Die Entwicklung der Jungen in den letzten Monaten gefällt ihr sehr gut: „Langsam blühen sie richtig auf. Am Anfang war es sehr schwer für sie, weil alles fremd war. Inzwischen sind sie füreinander eine Ersatz-Familie geworden.“ Unterstützt werden die Jugendlichen auch vom Verein AXA von Herz zu Herz e.V.. Der Verein spendet Kleidung, Schuhe und Möbel, außerdem wurden ein Ausflug in ein Bowling-Center gesponsert, zwei Kochveranstaltungen und der Garten mit Blumen und Kräutern bestückt.

Neues Zuhause von Schließung bedroht

Das Haus, in dem die jungen Flüchtlinge leben, ist als Notunterkunft eingeschätzt. Da die Stadt nach und nach alle Notunterkünfte, die den erforderlichen Mindeststandard als Raumgröße nicht aufweisen, schließt, haben die Jugendlichen jetzt Angst, den Ort schon wieder verlassen zu müssen und voreinander getrennt zu werden. Zwei Zimmer in diesem Haus sind nach den Richtlinien von den Maßen zu klein, doch die Jungs stört das gar nicht. Der 16jährige Nuri aus Afghanistan erzählt mit leuchtenden Augen: „Wir sind hier glücklich, denn wir haben jeder ein eigenes Zimmer bis auf zwei Freunde, die sich gerne ein Zimmer teilen. Wir lernen alle Deutsch und danach machen wir Sport, gemeinsame Ausflüge und Kochen zusammen. Am liebsten würde ich später mal ein Restaurant aufmachen.“

**Anmerkung der Redaktion: sämtliche Namen wurden zum Schutz der Jugendlichen geändert.
**Die Drehscheibe am Flughafen Köln-Bonn funktionierte bis zum April als Verteiler-Station für Flüchtlinge, die mit Sonderzügen aus Süddeutschland kamen. Dort wurden sie mit Essen, Kleidung und Hygieneartikeln ausgestattet und anschließend mit Bussen in die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes weiterbefördert.

Text/Foto © Regina Nußbaum / Köln-Insight.TV
Foto: Nuri + Sidiki

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