1. Kölner Menschenrechtsfestival vom 07.Juli 2013

1.menschenrechtsfestival koelnAm Sonntag, den 07.Juli 2013, feierten hunderte Menschen zusammen das erste Kölner Menschenrechtsfestival am Quäker-Nachbarschaftsheim in Ehrenfeld.

Wie man die Wörter „Menschenrechte“ und „Festival“ unter einen Hut bringen wollte, war den meisten Leuten vorher wohl nicht ganz klar; eine Party, bei der gefeiert, getanzt und getrunken werden und gleichzeitig gesellschaftliche Inhalte vermittelt werden sollten? Ein solches Konzept erschien eher abwegig, da es diese Kombination vorher noch nie gegeben hatte und sie irgendwie auch nicht so recht in Zusammenhang zu bringen war. Umso mehr waren alle Beteiligten – sowohl Organisatoren, als auch Besucher – überrascht, dass es anscheinend doch möglich ist, diese beiden Dinge in Einklang zu bringen, als sie am Sonntagnachmittag über die von Infoständen gesäumte und von den Klängen der Livebands erfüllte Kreutzerstraße am Grüngürtel spazierten. Innerhalb weniger Wochen hatten es zahlreiche freiwillige Helfer im Rahmen des Allerweltshauses geschafft, ein Programm auf die Beine zu stellen, das sowohl inhaltliche und zugleich unterhaltsame Themen verband: Parallel zum vielfältigen Bühnenprogramm mit Live-Musik und anderen Aufführungen, moderiert von Elisabeth Pütz und Sina Hänse, waren auch zahlreiche NGO's und andere Initiativen zusammengekommen, um die Besucher an Infoständen über ihre gesellschaftliche und humanitäre Arbeit aufzuklären: Darunter FIAN, die sich international für das Recht auf Nahrung einsetzen, die Menschenrechts-Schutzbegleiter von PBI, die Initiative „Kein Mensch ist illegal“, Attac Köln und viele mehr.

Neben reinem Input gab es für alle außerdem die Möglichkeit, sich interaktiv einzubringen und selbst Themen zu erarbeiten; im Obergeschoss des Quäkerheims schlüpften die TeilnehmerInnen eines Workshops über Konsumverhalten in die Rollen von Kleinbauern in Lateinamerika, NGO Vertretern und Sojaproduzenten und diskutierten über den dort entflammten gesellschaftlichen Konflikt um Landraub und Vertreibung, der durch den übermäßigen Bedarf an Rohstoffen des globalen Nordens ausgelöst wird. Dieser Perspektivwechsel ermöglichte es den Teilnehmenden sich einmal mehr der wichtigen globalen Verantwortung bewusst zu werden, die wir als Teil einer industrialisierten und kapitalgetriebenen Welt tragen.

Etwas spielerischer ging es im Innenhof des Gebäudes zu, wo Heike Kammer ein Puppentheater für die kleinen Besucher des Festivals veranstaltet hatte, bei dem sie soziale Themen mit kindlicher Verspieltheit in Einklang brachte und somit erreichte, selbst den Jüngsten auf eine besondere Weise die Thematik der Menschenrechte ein wenig näher zu bringen.

Nachdem sich die Straßen gefüllt hatten und jede/r sich einen Überblick über die Themen gemacht hatte, gab es anschließend die Möglichkeit, persönlich mit Experten zu verschiedensten sozialen und globalen Angelegenheiten an Thementischen zu diskutieren: Unter den Ansprechpartnern als Experten waren Ingeborg Wick, ehemalige Mitarbeiterin von Südwind zum Thema Arbeiterrechte und soziale Standards in Asien, Andreas Altmannsberger von Kölle Global zur Thematik des Fair Trade in Sachen Kleidung, Serge Palasie von der Fachstelle für Migration und Entwicklung NRW über diese Thematik in Afrika, Susanne Schmitz von FIAN zum internationalen Recht auf Nahrung, Sybille Fezer von Medica Mondiale und Aleksandra Gajek und Denise Klein von Agisra über sexualisierte Gewalt an Frauen im Krieg und im Migrationsprozess, Henrik Wittenberg und Michael Distelrath von der Kölner Initiative Grundeinkommen und Ruzdija Sejdovic vom Rom e.V. zum aktuellen und vor allem lokalen Thema der Sinti und Roma hier in Köln. Die Thementische boten jedem die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu diskutieren - ganz egal für was man sich nun mehr interessiert und engagieren möchte - es war in jedem Fall für jede/n etwas dabei. Nachdem der Wissenshunger vorerst gestillt werden konnte, sollte bei einem solchen Festival natürlich auch die herkömmliche Verpflegung nicht zu kurz kommen. Und das tat sie auch nicht: Am Straßenrand war ein riesiges Buffet aus verschiedensten Essensspenden zusammengestellt worden, die allesamt hausgemacht und vegetarisch – teilweise auch vegan – waren und jeden kleinen und auch größeren Hunger stillen konnten. Das Angebot von Salaten und Snacks, Zigarrenböreks und mexikanischen Tortilla Chips über Erdnusssoßen mit Reis bis hin zu Café und Kuchen lies kaum genug Zeit und Platz im Magen, um von allem zu probieren.

Genug Stärkung, um sich nun voll und ganz der Bühne zu widmen, auf der sich schon seit Beginn des Festivals verschieden Acts abwechselten. Darunter eine Theatergruppe aus drei StudentInnen, die ein gesellschaftskritisches und politisches Stück inszeniert hatten. Rüde Gesten und Mimiken zu eingespielten Zitaten von Politikern wie Angela Merkel und dem EU-Kommissar Günther Öttinger ließen die Zuschauer erst einmal schmunzeln, doch spätestens als die drei Darstellerinnen daraufhin begannen, die internationalen Menschenrechte zu verlesen und nacheinander symbolisch wie Papierfetzen von der Bühne zu schmeißen, wurde einem schnell der Ernst der Angelegenheit und der satirische Unterton bewusst, der der Inszenierung innewohnte. Vor allem aber bot das Bühnenprogramm am Nachmittag und Abend ein breites musikalisches Angebot: Sachte wurde das Festival von den zwei Folkmusikern von SlickM'c eingeleitet, die mit ihren irischen Klängen auf Akkordeon und Gitarre schon zu früher Stunde eine ausgelassene Atmosphäre erzeugten. Während auf der Straße über Diskriminierung von Roma diskutiert wurde, gingen die Musiker von Co&Kolores die Thematik auf ihre Weise an und begeisterten die Leute mit ihrer energiegeladenen Balkan und Gipsymusik.

Zwischen den Umbaupausen gab es verschiedene Redebeiträge von Mitgliedern des Projektes und des Allerweltshauses. Hanna Obert drückte Solidarität mit der gleichzeitig stattfindenden Christopher-Street-Day Bewegung aus und nutzte in diesem Zusammenhang die Gelegenheit auf die große Aktualität und Relevanz des Eintretens für die Menschenrechte zu verweisen. Wie auch das Motto des CSD, seien wir letztendlich alle „so oder so“, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religion. Das Projekt Erinnern und Handeln für die Menschenrechte arbeite „gegen das Prinzip von Teilen und Herrschen“ und „für ein universelles Sprechen von Rechten“ stellte auch Christian Nehls einmal mehr klar und würdigte die OrganisatorInnen des Festivals für ihre Arbeit. Auch Ralf Berger betonte in seinem Beitrag die Notwendigkeit von sozialem und politischem Engagement in Zeiten der Krise und der gefährdeten Lage der Demokratie in der Welt. Frei nach Willi Brandt stellte auch Wibke Gehringer provokant fest: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“. Einen musikalischen Einklang zwischen gesellschaftskritischer und politischer Lyrik mit treibenden Off-Beats fanden am Abend die Bands Waduh! und Schlagsaite. Auch Kescher machten ihrem Namen alle Ehre und fingen das Publikum mit sommerlichen Klängen ein. Spätestens beim Auftritt der Trommler von Mama Afrika konnte auch der/die letzte/r nicht mehr still halten und ließ sich von den Rhythmen der Djembés auf der Bühne tragen. Den krönenden Abschluss machten an diesem Abend die Latino/Ska-Rocker von Chupacabras, die es sich nicht nehmen ließen, die Bühne vom halben Publikum stürmen zu lassen und alle BesucherInnen schweißnass in den Abend zu entlassen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass bei weitem nicht nur das schöne Wetter zu der ausgelassenen Atmosphäre beigetragen hat, die den ganzen Abend über anhielt. Besonders vor dem Hintergrund, dass das gesamte Festival ausschließlich von freiwilligen HelferInnen binnen weniger Wochen organisiert und gestaltet wurde, ist es erstaunlich, wie reibungslos und harmonisch der Tag verlief. Vielleicht war es aber auch gerade das Amateurhafte, das Familiäre, das die Professionalität zu ersetzen vermochte und die gesamte Veranstaltung so besonders machte. Es bleibt also nur ein großes Dankeschön an alle BesucherInnen und OrganisatorInnen auszusprechen und voller Vorfreude auf das nächste Jahr zu verweisen, wenn es wieder heißt: „Erinnern und Handeln für die Menschenrechte!“

Foto: Stefano Chiolo

Text:Johannes Schweitzer

Redebeiträge des Menschenrechtsfestivals vom 07.Juli 2013:

- Hanna Obert - Diskriminierung und Rechte von Lesben, Schwulen, Bi und Trans: http://www.menschenrechte-koeln.de/images/stories/uploads/2013/Berichte/Juli/redebeitrag-hanna%20obert.pdf

- Wibke Gehringer -Krieg und Frieden (und Menschenrechte): http://www.menschenrechte-koeln.de/images/stories/uploads/2013/Berichte/Juli/redebeitrag-wibke%20gehringe.pdf

- Christian Nehls - Instrumentalisierung der Menschenrechte: http://www.menschenrechte-koeln.de/images/stories/uploads/2013/Berichte/Juli/redebeitrag-christian%20nehls.pdf

- Jennifer-Louise Robinson berichtet über: Ein Aufbruch der ArbeiterInnen: der arabische Frühling in Tunesien und Ägypten? http://www.menschenrechte-koeln.de/images/stories/uploads/2013/Berichte/juni/bericht%20aufbruch%20der%20arbeiterinnen%20arabischer%20frhling.pdf

- Jennifer Jendreizik berichtet über Kinderschutz und Kinderrechte in Kolumbien – Eine Welt der Ausbeutung und der Kriege:http://www.menschenrechte-koeln.de/images/stories/uploads/2013/Berichte/05Mai/bericht%20kinderrechte%20kolumbien.pdf

Wir schauen auf eine interessante und erfolgreiche Veranstaltungsreihe zurück und bedanken uns bei allen, die sich daran beteiligt haben.

Allerweltshaus Köln e.V.

Projekt "Erinnern und Handeln für die Menschenrechte"

www.menschenrechte-koeln.de

www.facebook.com/menschenrechtekoeln

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